N achhaltigkeit – da denkt man an Klimawandel und den eigenen CO2-Fussabdruck, an Fairtrade-Kaffee oder die Frage, ob man noch mit dem Flugzeug fliegen darf. Seit Fridays for future ist das Thema in der Gesellschaft angekommen – und mit den Scientists for future unterstützt die Wissenschaft die Bewegung. Aber wie nachhaltig arbeiten die Naturwissenschaften eigentlich selber?
Ein Laborgebäude verbraucht 3-5-mal soviel Energie und Wasser wie ein normales Bürogebäude…
Im Labor wird geheizt und gekühlt, viele Geräte laufen 24/7 und der Verbrauch an Lösungsmitteln, Chemikalien oder Einmalplastik ist hoch. 5,5 Millionen Tonnen – das ist 550-mal das Gewicht des Eiffelturms oder 67-mal das Gewicht eines Kreuzfahrtschiffes – wurden im Jahr 2014 in den Laboren auf der Welt erzeugt. Ob das zwischenzeitlich weniger geworden ist?
Die Frage stellt sich daher: was tun? Denn auf der anderen Seite kann nicht alles einfach so geändert werden. Ein Freezer verbraucht im Schnitt soviel Energie wie ein Einfamilienhaus – abstellen können wir ihn trotzdem nicht, und für viele andere Geräte gilt dasselbe. Acetonitril ist aufgrund seiner Eigenschaften noch immer eines der gängigsten Laufmittel in der HPLC und kann nicht mal so einfach ersetzt werden, beispielsweise durch Ethanol. Und wie will man ohne Pipettenspitzen und „Eppis“ eine PCR durchführen? Man sieht schon – das Ganze ist nicht so einfach. Aber es gibt trotzdem Möglichkeiten.
Strategisch angehen
Reduce, Re-Use, Recycle – die 3 R’s sind schon lange bekannt und nichtsdestotrotz immer noch aktuell.
Reduce – Miniaturisierung
Die Miniaturisierung von Methoden gibt es schon in vielen Bereichen. Man denke an die Chemie oder die Analytik, die mit der UHPLC zur mikro- und nano-LC in immer kleinere Bereiche vordringt, die Mikrofluidik oder Microarrays, sei es nun in der DNA-Analytik oder im Bereich der Proteomics.
Aber man muss nicht gleich ein neues Gerät kaufen. Für die Probenvorbereitung in der HPLC-Analytik gibt es in der Zwischenzeit eine Vielzahl an Methoden, die keine speziellen Geräte benötigen. Unterschieden wird zwischen Extraktionsmethoden, die entweder auf der Flüssig-Flüssig-Extraktion oder der Extraktion zwischen flüssiger und fester Phase beruhen. Bei der Liquid Phase Micro-Extraction (LPME) wird der Analyt in ein geringes Volumen zwischen 1 – 100µl an Lösungsmittel extrahiert und gleichzeitig in diesem geringen Volumen konzentriert. Bei der Solid Phase Microextraction (SPME) wird der Analyt in eine feste Phase extrahiert und angereichert.
Wer sich für die verschiedenen Methoden genauer interessiert, hier gibt es einen Übersichtsartikel zur „green chromatography“
Reuse – muss es immer Einweg sein?
Gerade im Labor werden viele Einmalartikel genutzt, was auch Sinn macht. Schließlich soll die Bakterienkultur nicht kontaminiert werden und bei der PCR sollte steril gearbeitet werden. Aber es müssen nicht immer Einmalartikel sein. Vieles kann sterilisiert und danach wiederverwendet werden, Glaspipetten sind das klassische Beispiel dafür. Andere Consumables aus Plastik, zum Beispiel Probenröhrchen, können für unsterile Zwecke weiter eingesetzt werden oder, je nach Material, gewaschen und autoklaviert werden. Und auch wenn man hier Wasser und Energie einsetzt, spart man gegenüber der single-use-Variante immer noch CO2 ein – laut dieser Studie verringert die Wiederverwendung von Probenröhrchen den Carbon Footprint um den Faktor 11. Unis in Großbritannien möchten übrigens noch weitergehen und das Plastik vollständig verbannen: https://www.theguardian.com/environment/2019/nov/10/research-labs-plastic-waste
Recycle – wo kommt der Abfall hin?
Recycling ist ein schwieriges Thema, zumal vieles aus Sicherheitsgründen autoklaviert werden muss und dann über den Restmüll entsorgt wird. Aber manche Verpackungen, wie Boxen für Pipettenspitzen, gehören nicht dazu und sind in vielen Fällen aus hochwertigem Polypropylen oder PET. Das heißt, wenn das Abfallmanagement und die Sicherheitsbeauftragten zustimmen und eine Kontamination vermieden werden kann, wäre ein Zurückführen in den Recyclingstrom möglich. Einige Unternehmen bieten bereits Rücknahmesysteme an und nehmen Pipettenboxen oder auch Zellkulturflaschen zurück. Alles in allem kein leichtes Unterfangen und von vielen Seiten kommen hier auch immer wieder sicherheitsrechtliche Bedenken. Aber wie wäre die Idee, Alltagsartikel, die nicht unbedingt mit der eigenen Probe in Berührung kommen, aus Rezyklatkunststoff herzustellen. Reagenzglasständer wären da so eine Idee.
„Low hanging fruits“ – fünf Ideen, die man direkt umsetzen kann
TIPP 1: Abzug runter – „Shut the Sash”
Abzüge gehören mit den Gefrierschränken zu den größten Energieverbrauchern im Labor. Und wenn sie offen sind, noch viel mehr. Im Schnitt wird ein Standardabzug mit circa 400m³ pro Stunde pro laufendem Meter betrieben – was zu einem jährlichen Energieverbrauch führt, der dem eines Einfamilienhauses in einem Jahr entspricht [1]. Denn die Luft muss bereitgestellt, gekühlt oder gewärmt werden. Gleichzeitig besteht bei geöffneten Abzügen die Gefahr der „Ausbrüche“ – was nichts anderes heißt, das Luft (mit den Schadstoffen, die durch den Abzug zurückgehalten werden sollten) in den Laborraum strömen kann. Daher sollte der Abzug sowohl aus Sicht der Ökologie wie der Sicherheit immer geschlossen sein, wenn nicht daran gearbeitet wird – und ansonsten nur so weit weit wie nötig geöffnet werden.
TIPP 2: Tau doch mal auf…
Beim Thema Freezer- und Probenmanagement kann man sehr viel beachten. Hier gibt es einen umfassenden Beitrag dazu. Wer möchte, kann auch an der alljährlich stattfindenden, internationalen Freezer Challenge teilnehmen.
Ein Tipp, den man auf jeden Fall umsetzen sollte ist, regelmäßiges Abtauen – und zwar, bevor sich eine dicke Eisschicht gebildet hat. Das hat drei Gründe:
- Eine Eisschicht erhöht den Energieverbrauch
- Um weiterhin die Temperatur im Inneren zu halten, muss der Kompressor stärker arbeiten, was sich auf seine Lebensdauer auswirkt und im schlimmsten Fall zum Ausfall des ganzen Gerätes führen kann
- Die Eiskristalle können die Dichtungen verletzen, wodurch sowohl kalte Luft austreten wie warme Luft eindringen kann. Beides ist natürlich unerwünscht.
Als Faustregel gilt: mindestens einmal pro Jahr komplett abtauen.
TIPP 3: Der Letzte macht (nicht nur) das Licht aus …
Im Labor stehen viele Geräte, die nicht immer gebraucht werden. Trotzdem sind sie an oder auf Stand-by und verbrauchen unnötig Energie – auch wenn das im Einzelfall vielleicht wenig ist. An der Universität Harvard hat ein Labor die möglichen Einsparungen gemessen. Dafür wurde zunächst der Verbrauch im Normalbetrieb gemessen. Anschließend hat ein Mitarbeiter eine Woche jeden Abend eine Runde durchs Labor gemacht und alle unnötigen Geräte ausgeschaltet. Der Effekt: der Energieverbrauch ist um 50% zurückgegangen.
TIPP 4: Nur voll beladen…
Autoklavieren verbraucht Energie und Wasser – für das Heizen, die Dampferzeugung und das abschließende Abkühlen. Und es wird VE-Wasser genutzt, für dessen Herstellung ebenfalls Ressourcen in Form von Energie und Wasser gebraucht werden. Es macht also Sinn, Autoklaven nur voll beladen laufen zu lassen. Zweitens sollte man sich auch noch einmal das Routineprogramm anschauen. Studierende der TU Dresden haben das im Rahmen des iGEM goes green-Projekts gemacht und dabei festgestellt, dass ihr Autoklav standardmäßig bei 134°C eingestellt war. Da mit S1-Organismen gearbeitet wurde, reichten aber 121°C völlig aus.
TIPP 5: Methodenauswahl
Bei der nächsten Literaturrecherche nach einer Methode die Stichworte „sustainable“ oder „green“ mit eingeben. Es gibt bereits unglaublich viele alternative Methoden, die aber nicht unbedingt bekannt sind. Oft nutzt man die, die bereits etabliert sind oder die jemand davor genutzt hat. Wenn man gerade auf der Suche nach einer neuen Methode ist, ist das der beste Zeitpunkt, um diese Kriterien mit einfließen zu lassen.
Ich wünsche viel Erfolg beim Umsetzen der Tipps.
[1] aus: Handbuch für nachhaltige Laboratorien; Egbert Dittrich (Hrsg), Erich Schmidt-Verlag – S. 246ff